
Dies hier ist die Baustelle der Zukunft, der Punkt, der aktuell noch ganz am Anfang steht und den ich mehr und mehr ausbauen möchte: nämlich die vielen positiven Aspekte des Singens aufzuzeigen, die hoffentlich bald wieder die dissonanten Töne überstimmen werden, die Corona das Singen und Gruppensingen im Bewusstsein der Öffentlichkeit aktuell belastet haben.
Singen macht Spass, Singen macht im positiven Sinne süchtig, Singen heilt Körper und Psyche, Singen hilft gegen alle möglichen Leiden. Das ist von alters her bekannt und mittlerweile sogar wissenschaftlich zur Genüge bestätigt. Musik ist die zweite Sprache des Menschen. Oder besser: die erste. Singen stellt mit seinen positiven Effekten viele gängige Therapien in den Schatten und wird sogar zur Corona-Therapie eingesetzt. Aus diesem Blickwinkel betrachtet sollten Mitgliederbeiträge in Chören eigentlich von der Krankenkasse bezuschusst oder ganz gezahlt werden.
Es ist eine Schande, dass das Singen aktuell durch das heimtückische Coronavirus so in Veruf geraten ist. Man sollte sich immer wieder klar machen: Es ist nicht das Singen, von dem die Gefahr ausgeht, sondern das Virus, dass das Singen aktuell leider als ein besonders effektives Mittel der Verbreitung nutzt. Und wir wollen singen, wir wollen weitermachen und uns nicht durch eine Krankheit in die Knie zwingen lassen.
Eine Internetpräsenz, die so intensiv auf die Gefährdung durch das Virus beim Singen schaut wie diese und versucht Wege aufzuzeigen, wie man sich schützen kann, braucht meines Erachtens einen gewichtigen Gegenpol – und den möchte ich mit diesem Menüpunkt bieten. Hier möchte ich eine Lanze für das Singen brechen, und nach und nach immer mehr wissenschaftliche Studien und Projekte vorstellen, die den positiven Wert des Singens für Seele und Gesundheit aufzeigen.
Wissenschaftliche Studien zum heilsamen Effekt des Singens
Studien zum Einzelgesang
Die Rezitation von Rosenkranz und Mantras hat einen wertvollen gesundheitlichen Effekt (Bernardi et al. 2001)
Mediziner der Universtität von Pavia haben bei einer Studie mit 23 Erwachsenen herausgefunden, dass das Rezitieren des Ave Maria oder das Singen eines östlichen Mantras genau dann einen besonders belebenden Effekt hat, wenn es 6 mal, also in einem 10-Sekunden-Takt pro Minute wiederholt wird. Die Forscher schreiben:
“Sowohl das Gebet als auch das Mantra verursachten eine bemerkenswerte, kraftvolle und synchrone Zunahme bestehender kardiovaskulärer Rhythmen”
Die so genannte Baroreflexempfindlichkeit stieg dabei signifikant von 9,5 auf 11,5 ms/mm – ein wünschenswerter Effekt.
Studien zum Gruppensingen
Gruppengesang stärkt das Immunsystem und senkt den Stresspegel (Kreutz et al. 2004)
Forscher der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität wollten wissen wie sich Gruppengesang und Hören von Chormusik auf das Immunsystem und den Stresspegel auswirken bzw. was man dazu von wissenschaftlicher Seite aus sagen kann. Sie entnahmen Speichelproben von Sängern eines Kirchenchores, der Mozarts Requiem probte. Sie stellten fest, dass nach der Chorprobe, die Anzahl der Immunglobuline A auf den Schleimhäuten, die der Bekämpfung von Krankheitserregerns dienen, stark gestiegen war. Das bloße Hören der Musik zeigte dagegen einen viel geringeren Effekt.
Gruppensingen heilt psychisch Kranke (Shakespeare und Whieldon 2017)
“Psychisch Kranke können von wöchentlichem Gemeinschaftssingen mit der Bevölkerung profitieren”,
so führt die deutsche Ärztezeitung ein in eine Studie der Norwich Medical School an der University of East Anglia unter Leitung von Prof. Dr. med. Tom Shakespeare an. Die Forscher überprüften den Nutzen einer Serie von Gesangsworkshops unter dem Titel “Sing your heart out” (SYHO, dt. “Singe dein Herz aus”), die sich gezielt an psychisch Kranke richteten, und schreiben in ihrem Abschlussbericht euphorisch von den beobachteten Effekten:
“Alle Befragten berichteten von einer Verbesserung oder Aufrechterhaltung ihrer geistigen Gesundheit und ihres Wohlbefindens als direkte Folge des Engagements in den Gesangsworkshops. Für die meisten war es eine Schlüsselkomponente und für einige die einzige und ausreichende Komponente für ihre Genesung und anhaltende psychische Stabilität. Die Kombination aus Gesang und sozialem Engagement erzeugte ein anhaltendes Gefühl der Zugehörigkeit und des Wohlbefindens.”
Singen wirkt also noch da, wo andere Heilmittel wenig bewirken. Die positiven Effekte wurden aber auch über den Gesang in der Gemeinschaft ausgemacht: Die Struktur, die die Gruppe bot, ihre Unterstützung und die Kontakte verbesserten die Stimmung. Die Wissenschaftler resummieren:
“Wir kommen zu dem Schluss, dass das SYHO-Modell ein kostengünstiges Instrument zur Wiederherstellung der psychischen Gesundheit in der Gesellschaft bietet.”
Warum viel Geld ausgeben für kostspielige Therapiemethoden, wenn es mit Gruppengesang viel günstiger geht? Warum nicht als Krankenkasse genau das bezuschussen?
Gruppengesang wirkt sich heilsam und stresssenkend bei psychisch kranken Jugendlichen aus (Grebosz-Haring und Thun-Hohenberg 2018)
Gruppengesang lässt Herzen im Gleichtakt schlagen (Vickhoff et al. 2013)
In ihrem Forschungsprojekt Kroppens Partitur (dt. “die Partitur des Körpers”) haben sie den Einfluss von Musik auf die Herzfrequenz untersucht. Die 18-jährigen Probanden aus einem Schulchor des Hvitfeldtska-Gymnasiums in Göteborg mussten gemeinsam einen Ton summen, dann ein schwedisches Kirchenlied singen und zum Abschluss ein Mantra. Die Studie zeigte, dass sowohl die Struktur des Gesangs als auch die Atmung Auswirkungen auf die Herzfrequenz hat und diese bei den Sänger*innen synchronisiert. Das lange Ausatmen scheint eine Beruhigung des Herzschlags nach sich zu ziehen. Verantwortlich dafür soll die Aktivität des Vagusnervs sein, der regulativ auf alle inneren Organe einwirkt. Der Leiter der Studie, der Neurowissenschaftler Prof. Björn Vickhoff, konstatiert:
“Wir wissen bereits, dass das Singen im Chor die Muskelbewegung als auch die Gehirnaktivität von Chorsängern bis zu einem gewissen Grad synchronisiert… Nun wissen wir, dass dies weitgehend auch für das Herz gilt.”
Herz- und Atmungsmuster synchronisieren sich während des Chorgesangs zwischen Personen
Forscher des Max-Planck-Instituts Berlin führten eine Studie mi 11 Sängern und einem Dirigenten durch. Die Sänger wurden verkabelt (u. a. EKG-Messung) und ein vierteiliges homophones Lied sowie ein Kanon gesungen – Letzterer mit offenen und mit geschlossenen Augen. Die unterschiedlichen Messungen dokumentierten, wie sich das gemeinsame Atmen mit den Herzmustern der einzelnen Sänger in der Gesangsgruppe synchronisiert. Die Phasensynchronisation war am höchsten, wenn die Sänger homophon sangen. Es wird die nahe liegende Vermutung geäußert, dass auch dies für soziale Gefühl beim Singen von grossem Wert ist.
Weitere Beschreibungen sollen folgen.